Herzog-Friedrich-August-Saal der Wiesbadener Casino-Gesellschaft
SPIELTECHNISCHE GRENZEN SIND IHNEN FREMD
KAMMERMUSIK - Die Geigerin Franziska Pietsch und der Pianist Detlev Eisinger begeistern in Wiesbaden mit Prokofjew
Von Axel Zibulski
WIESBADEN - Schon das Pensum, das sich Geigerin Franziska Pietsch und ihr Klavierpartner Detlev Eisinger vorgenommen hatten, war außergewöhnlich. Im Herzog-Friedrich-August-Saal der Casino-Gesellschaft ließen sie auf ihre Mozart-Eröffnung nicht nur beide Violinsonaten Sergej Prokofjews folgen, sondern schlossen mit der A-Dur-Sonate des gebürtigen Belgiers César Franck ein weiteres Schwergewicht an.
Im zweiten Saisonkonzert des Vereins „Die Kammermusik“ konnten sich die 1969 geborene Geigerin und ihr zwölf Jahre älterer Duo-Partner nicht nur wegen ihrer außerordentlichen konditionellen Leistung über den großen Beifall eines Publikums freuen, das sich äußerst offen auch für rare Werke des Repertoires zeigte. Zu ihnen gehören gewiss die beiden Violinsonaten Prokofjews, an deren erster (f-Moll op. 80) er während des gesamten Zweiten Weltkriegs gearbeitet hatte, bevor David Oistrach und Lew Oborin sie 1946 uraufführten. Pietsch und Eisinger trafen deren angespannten Nerv genau, die scharfen, aber punktgenau platzierten Dissonanzen, die lähmende rhythmische Härte, auch die besonders makabren leisen Stellen, in denen, wie Oistrach später berichtete, Prokofjew den „Wind über den Kirchhof“ streichen hörte.
Ebenso aufschlussreich gelang die Auseinandersetzung mit der etwas früher vollendeten Violinsonate Nr. 2 D-Dur op. 94b, hier zurecht viel lichter und heller vermittelt – weniger, weil die Geigenstimme in der Erstfassung des Werks für Flöte gesetzt ist, sondern eher, weil sich Prokofjew den Fasslichkeitszielen des Sozialistischen Realismus darin weit deutlicher annäherte.
Elgars „Salut d‘amour“ als Zugabe
Der klugen Gegenüberstellung war eine angenehm unprätentiöse, natürliche, und stilsichere Auseinandersetzung mit Mozarts Sonate für Klavier und Violine G-Dur KV 301 vorausgegangen. In den klanglich opulenten, raumgreifenden Passagen von César Francks 1886 uraufgeführter Violinsonate A-Dur vermittelten Pietsch und Eisinger quasi-orchestrales Denken, während sie die rezitativische Fantasie des langsamen Satzes schön lyrisch bis gärend auskosteten. Wer musikalisch so tief an Sinn und Gehalt arbeitet, kann spieltechnische Grenzen gar nicht kennen.
Der große Abend endete mit Edward Elgars zugegebenem „Salut d’amour“.